Bereits im Frühjahr 2021 haben Fachverbände und Experten gewarnt, dass es wegen steigender Holzpreise zu einer Verknappung von Europaletten kommen könnte – lange bevor die Ausmaße der derzeitigen globalen Logistikkrise seriös abschätzbar waren. Diese wird durch die Ressourcenknappheit in der Logistik kontinuierlich weiter befeuert. Was ist die Ursache für das Weniger an Europaletten und was können Logistikdienstleister nun tun?

Holzpreise explodieren

Seit geraumer Zeit steigen die Holzpreise und die Corona-Pandemie tut dazu ihr Übriges. Denn wie viele andere wirtschaftliche Krisenphänomene, die gegenwärtig zu beobachten sind, hat auch die Preisentwicklung beim Holz ihre Ursache in einer Kombination aus Verknappung des Angebots und Anstiegs der Nachfrage. Zunächst gingen während der Corona-Pandemie Holzlieferungen aus Skandinavien und Osteuropa und dann auch aus Kanada drastisch zurück. Durch die konjunkturelle Erholung hat in China, den USA, aber auch in Europa die Nachfrage vor allem nach Bauholz nun wieder angezogen. Die Folge: dramatische Engpässe und Preisanstiege (schon 2020 um bis zu 700 Prozent!).

Das hat Konsequenzen für zahlreiche Branchen. Beispielsweise können Handwerksbetriebe ihre vorher abgeschlossenen Verträge nicht mehr kostendeckend bedienen. Und die Hersteller von Produkten aus Holz oder mit einem Holzanteil leiden unter Materialmangel. Mangel bedingt Teuerung und die kommt zwangsläufig bei den Abnehmern an. Also zunächst bei Zwischen- und Einzelhändlern und schließlich beim Endkunden.

Keine politischen Interventionen

Manche deutschen Politiker fordern, dem globalen Holzmangel regional zu begegnen – etwa durch nationale Exportbeschränkungen und -verbote. Im Juni 2021 hat sich die Wirtschaftsministerkonferenz mit dem Holzmangel beschäftigt und sich gegen derlei Maßnahmen ausgesprochen. Ein solcher Markteingriff könnte sich als kurzsichtiger Aktionismus herausstellen und unerwünschte Gegenreaktionen provozieren. Die Konferenz hat stattdessen die Bedeutung des freien Handels ausdrücklich betont. Alle Wirtschaftszweige in Deutschland, die direkt oder indirekt mit dem Rohstoff Holz zu tun haben, müssen sich also mit der Situation arrangieren.

Europaletten: Unverzichtbar in der Lager- und Transportlogistik

Europaletten sind für die Logistik in etwa das, was Mikrochips für die Elektroindustrie darstellen: ein unverzichtbarer Grundstoff. Sie mögen unspektakulär sein mit ihren elf Brettern, neun Klötzen und 78 Nägeln – aber ohne sie läuft nichts im Warentransport. Die Paletten sind gemäß den Vorgaben des Dachverbandes European Pallet Association (EPAL) genau genormt und werden in einem branchenübergreifenden offenen Pool ausgetauscht, der sich über mehr als 50 Länder erstreckt. Diese Tauschsystem bringt enorme logistische Vorteile: Eine Europalette kann stets genau dort von einem Logistiker wieder benutzt werden, wo sie von einem anderen gerade nicht mehr gebraucht wird.

Da Europaletten also im wahrsten Sinne des Wortes die Grundlage der hiesigen Logistik sind, hat ein Engpass an Paletten weitreichende Folgen für den globalen Warenverkehr – genauso wie beispielsweise auch der aktuelle Mangel an verfügbaren Frachtcontainern. Hiervon ist schon das ganze Jahr 2021 über beständig in den Medien zu lesen.

Jubiläum in Krisenzeiten

Trotz der momentan recht großen Aufmerksamkeit für die Lieferketten und ihre Aufrechterhaltung hat übrigens der 60. Geburtstag der Europalette in der breiten Öffentlichkeit kaum Resonanz gefunden. Es war das Jahr 1961, als sich europäische Eisenbahngesellschaften erstmals auf einen einheitlichen Standard für Transportpaletten und einen gemeinsamen Pool verständigt haben: die Geburtsstunde der Europalette. Seitdem ist sie aus der Transport- und Lagerlogistik nicht mehr wegzudenken und genauso wichtig wie der Container.

Mit dem Holz steigen auch die Preise für Europaletten

Die Hersteller von Transportpaletten leiden wie alle anderen Holzverarbeiter auch unter der geringen Verfügbarkeit des Rohstoffes. Für Europaletten sind zwar insgesamt 17 Holzarten zugelassen, da aber auch für ihre Herstellung die qualitativ hochwertigen und global stark nachgefragten Nadelhölzer Fichte, Tanne und Kiefer gerne herangezogen werden, wirken sich die Entwicklungen auf dem weltweiten Holzmarkt sehr direkt auf die Produzenten von Transportpaletten aus.

Mit den Holzpreisen steigen die Produktionskosten und mit ihnen die Preise für neue Europaletten. Von der daraus resultierenden Teuerung sind alle Wirtschaftszweige unmittelbar betroffen, die in irgendeiner Weise mit Lager- und Transportlogistik zu tun haben oder auf sie angewiesen sind. Der Vorrat an Europaletten wird geringer und ihre Beschaffung wird teurer. Dass angesichts der Beschaffungsschwierigkeiten so mancher Marktteilnehmer sich dazu verleitet fühlt, aktuell nicht genutzte Europaletten lieber zu horten als dem Kreislauf zuzuführen, verschärft die Lage zusätzlich.

Die Preisentwicklung wäre auch ohne die Besonderheiten des Jahres 2021 herausfordernd genug. Aber es kommt ja noch die allgemeine globale Logistikkrise hinzu. Nachdem während der pandemiebedingten Lockdowns die Transportkapazitäten weltweit deutlich heruntergefahren worden sind, steigt gegenwärtig die Nachfrage nach allen erdenklichen Rohstoffen und Waren wieder deutlich an – ohne, dass die Kapazitäten mithalten könnten. Das führt zu blockierten Häfen sowie einer Überlast bei der Schienen- und Straßenfracht. Ein zusätzlicher Notstand bei Paletten könnte ein weiterer Tropfen auf dem Weg zum überlaufenden Fass sein.

Versorgung mit Paletten proaktiv sichern

Dass es trotz aller Engpässe noch nicht zu einem existenziellen Notstand gekommen ist, liegt auch an den teilweise sehr langfristigen Lieferverträgen einiger Hersteller von Europaletten – sowohl was den Einkauf von Rohwaren als auch den Verkauf fertiger Paletten betrifft. Gleichwohl ist allen Gewerbetreibenden, die auf eigene Paletten angewiesen sind, dringend anzuraten, im beständigen Kontakt mit ihren Lieferanten zu bleiben, um die eigene Versorgung sicherzustellen.

Digitale Zukunft der Europalette: KI trifft auf Holz

Eine optimierte Nutzung des Gesamtpools an Europaletten wäre in der jetzigen Krise äußerst hilfreich, um Palettenbestände und -bedarfe abzugleichen und lokalen Engpässen entgegenzuwirken. Digitalisierung ist auch hier das Mittel der Wahl. Konkrete Hilfe versprechen Managementtools für cloudbasiertes Palettenmanagement auf Basis von künstlicher Intelligenz (KI). Eine solche Software wurde zum Beispiel von Wissenschaftlern des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik entwickelt, die mittlerweile ein entsprechendes Startup für dessen kommerzielle Nutzung gegründet haben.