Nach coronabedingten Shutdowns läuft die Weltwirtschaft wieder an und die Güternachfrage seitens Industrie und Handel wächst. Allerdings haben viele Hersteller und Lieferanten Kapazitäten zurückgefahren, so dass der großen Nachfrage eine nach wie vor begrenzte Produktion gegenübersteht. Hinzu kommen weltweit mangelnde Logistikressourcen, wodurch die Beschaffungsprobleme der Industrie jetzt genauso die Verbraucher erreichen.

Die Lage in Deutschland

Es steht nicht zu befürchten, dass es in der Bundesrepublik zu einer Verknappung der Güter des täglichen Bedarfs kommt. Gleichwohl sind die Zahlen einer Umfrage des Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo) unter deutschen Einzelhändlern, die das ifo am 12. Oktober veröffentlicht hat, alarmierend: Demnach waren 74 % Prozent der Einzelhändler in Deutschland im September 2021 mit Lieferproblemen konfrontiert. 

Diese Zahl bezieht sich auf einen Querschnitt durch alle Branchen. Beruhigend ist, dass dank des hohen Anteils heimischer Produktion der Lebensmittelhandel die geringsten Lieferproblemen hat (knapp 47 % betroffene Händler). Demgegenüber klagen 100 % aller befragten Fahrradhändler über Lieferverzögerungen und -ausfälle. Der Mangel an Chips und Halbleitern wiederum führt dazu, dass Anbieter von Elektronikprodukten nur begrenzte Warenbestände haben. Dies berichten 97 % der Händler für Unterhaltungselektronik. Im Automobilhandel (88 %) sind die Versorgungsprobleme vor allem bei E-Autos offensichtlich.

Die Sportartikelbranche hat ihr ganz spezifisches Problem: Eines der wichtigsten Produktionsländer im Textil- und Sportbereich ist Vietnam. Nachdem das Land lange fast coronafrei geblieben ist, explodieren dort seit April 2021 die Fallzahlen. Infolgedessen kam es zu Schließungen ganzer Produktionsstätten, was sich nun wiederum in einem eingeschränkten Sportartikelangebot niederschlägt. Zwar haben Hersteller teilweise mit Verlagerungen der Produktion reagiert, aber die Überlastung der globalen Transportketten verlängert die Lieferzeiten auch von dort signifikant.

Preissteigerungen wohl unvermeidlich

Das Bild der ifo-Erhebung wird bestätigt durch eine weitere Umfrage, die der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) unter seinen Mitgliedern durchgeführt hat. Der BME Pulse Check für das vierte Quartal 2021 trägt den leicht kalauernden Titel „‘O Du fröhliche’ oder eher ‘O Du Fehlende’“ und weist den anhaltenden Mangel an Rohstoffen und die parallel auftretenden Lieferengpässe als größte Herausforderung für die Mitglieder des Verbandes aus.

Um den derzeitigen Schwierigkeiten bei der Versorgung mit dringend benötigten Artikeln für das letzte Quartal des Jahres zu begegnen, setzen 45 % der befragten Einkaufsabteilungen auf höhere Lagerbestände. Das wird aber die Preisentwicklung nicht eindämmen können. Mehr als zwei Drittel der BME-Umfrage-Teilnehmer geben an, dass sich die Preise bei den für das Jahresendgeschäft eingekauften Waren im Vergleich zum Vorjahr signifikant erhöht haben. Das wird zwangsläufig bei den Käufern im Einzelhandel ankommen.

Folgen für das Weihnachtsgeschäft

Je näher das Weihnachtsfest rückt, desto mehr machen sich die Lieferengpässe in stark nachgefragten Sparten bemerkbar. Zwar wird die Auswahl an möglichen Geschenken auch in diesem Jahr reichlich gegeben sein, so dass der Gabentisch gesichert ist – es kann aber passieren, dass bestimmte populäre Produkte vor allem aus dem Technik- oder Sportbereich oder brandneue Modelle nicht lieferbar oder spürbar teurer sein werden.

Die globalen Ursachen der Lieferprobleme

Produktionsausfälle in Asien, der Mangel an Rohstoffen und essentiellen Fertigungskomponenten – das ist die eine, industrielle Seite der Medaille. Hinzu kommen die begrenzten Kapazitäten der internationalen Transportlogistik. Egal ob zu Wasser, zu Lande oder in der Luft: Es ist derzeit schlicht nicht möglich, die Frachtmengen zu bewältigen, die notwendig sind, um die Nachfrage zu befriedigen.

Zunächst hat die Corona-Pandemie die weltweiten Lieferketten durcheinandergebracht und zu überquellenden Lagern bei Herstellern, Zwischenhändlern und Einzelhändlern geführt, weil die Geschäfte geschlossen waren und dadurch die Endabnehmer gefehlt haben. Dadurch blieben Bestellungen aus. Dann zog die Nachfrage einiger Branchen und Importeure wieder an. Frachten, die sich über die Zeit der Pandemie angestaut haben, laufen nun geballt in den Häfen auf. Das hat Dominoeffekte zur Folge, die jeden Abschnitt der Lieferkette bis zum Endkunden betreffen.

Ausblick auf 2022

Die meisten Experten, ob vom BME oder z. B. vom Supply-Chain-Management-Unternehmen Setlog, erwarten keine zeitnahe Änderung der Lage, weder was die fehlenden Frachtkapazitäten noch was die immensen Transportkosten betrifft. Prognostiziert werden spürbare Verbesserungen erst nach Ostern 2022 – und damit in jedem Fall nach dem chinesischen Neujahrsfest Ende Januar, dessen Auswirkungen auf die globale Logistik auch in Jahren ohne Krisen deutlich zu spüren sind. 

Das bedeutet eine große und anhaltende Herausforderung für alle Teilnehmer am globalen Logistikmarkt – aber kein Grund zur existenziellen Sorge auf Seiten der Bevölkerung: Ein Lieferengpass bei bestimmten Konsumgütern bedeutet schließlich keinen Versorgungsengpass im Hinblick auf lebensnotwendige Güter.